Sachverst3

Dipl. Ing. FH  Richard Geiger freier Architekt
von der HWK für Schwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das
Maurer-, Beton- und Stahlbeton, Kälte-, Wärme- und Schallschutzisoliererhandwerk

mail: rg@arch-geiger.de

Putzrisse auf Leichtziegel mit Leichtmauermörtel

Zwischenbericht

Putzrisse treten in den letzten Jahren gehäuft auf. Deshalb wird von mir, in Zusammenarbeit mit der Elias-Holl-Innung Augsburg, Schadensammlung betrieben.

Es fanden gemeinsame Gespräche mit Ziegel- und Putzherstellern, Bauunternehmern sowie Inhabern von Putz- und Stuckbetrieben statt.

Als Ergebnis in Kurzfassung ist festzuhalten:

· die Zunahme der Rissschäden auf solchem Mauerwerk ist bekannt
· die Ursachen der Schäden werden je nach Zugehörigkeit zu Berufsgruppen unterschiedlich interpretiert:
Ziegelhersteller sehen in erster Linie die Ursache von Putzschäden in  Verarbeitungsfehlern (handwerkliche Fehler, fehlender Schutz  des Mauerwerkes gegen Witterung etc.) und/ oder falsche Putzwahl (z. B.  zu žharte" Putze).
Putzhersteller sehen auch Ursachen in Verarbeitungsfehlern, aber auch am mangelnden  Informationsfluss von den Steinherstellern. (Anmerkung: immerhin sind im Mauerwerkskalender 2000 rd. 27 Neuzulassungen von Ziegeln dargestellt). €žDie Putzindustrie solle sich bei Neuzulassungen frühzeitig mit den  Putzherstellern abstimmen".
Bauunternehmer und Putzerfirmen sind natürlich der Meinung, dass Ausführungsfehler nicht (kaum) vorkommen.  Sie beklagen jedoch, dass Informationen und Hinweise durch die  Baustoffindustrie oft zu spät kommen.
Beispiel: Sind Putzrisse vorhanden, dann wird faserarmierter Putz oder zumindest an der  Westseite eine Gewebespachtelung empfohlen (Verarbeitungshinweise).
Leider haben dann die Unternehmen (bzw. was noch schlimmer ist, ihre Bauherren) schon ihren Bauschaden.

Beschreibung einiger Schadensfälle:

Wohnanlage in Mering

Situation:

Nennenswerte Risse nur an den Westgiebeln. Die Westgiebel sind ziemlich ungeschützt  der Witterung (Bebauung westlich versetzt und niederer) ausgesetzt. An  den restlichen Fassaden (Himmelsrichtungen) keine nennenswerte Risse.  Rohbauherstellung 1993 bis 1994. Aussenputz wurde im Juli 1994  aufgebracht.

Mauerwerk porosierte Ziegel, vermauert mit Leichtmauermörtel LM 36 (Stossfuge mit Mörteltaschen).

Putz als €žLeichtputz, Oberputz Modelierputz mit der Traufel aufgetragen, Farbe Beige, mit Ausgleichanstrich.

Die Risse traten nach 2 - 3 Jahren am Westgiebeln auf. Es zeichnen sich die Lagerfugen und teils die Stossfugen (wobei diese teils versetzt und auch schräg laufen) ab.

Fassadenausschnitt, Riss teils nachgezeichnet.

Risse im Detail, Putz geöffnet

Detail der Öffnungsstelle, Risse nachgezeichnet

Mehrfamilienhaus Kissing

Situation:

Nennenswerte Risse nur an den Westgiebeln, nur im oberen Bereich. Der Westgiebel ist teils durch Nachbarbebauung €žgeschützt, wobei dies  jedoch nicht für den Giebel zutrifft. An den restlichen Fassaden  (Himmelsrichtungen) keine nennenswerte Risse. Rohbauherstellung Herbst  1994. Aussenputz wurde 1994 aufgebracht.

Mauerwerk porosierte Ziegel, vermauert mit Leichtmauermörtel LM 36 Nassmörtel (Stossfuge mit Mörteltaschen).

Putz als €Leichtputz, Oberputz Modelierputz mit der Traufel aufgetragen.  Die Risse traten nach ca. 3 Jahren auf. Es zeichnen sich die Lagerfugen  und teils die Stossfugen ab. Ausgleichsanstrich und Oberputz im  Giebelbereich teils abgewittert.

Einfamilienhaus in Bergheim/ Augsburg

Situation:

Es wurden 2 Einfamilienhäuser vom selben Bauunternehmer und Putzer errichtet. Nennenswerte Risse sind nur am Westgiebeln des Hauses an der Strasse vorhanden. Das rückwärtige Haus liegt im €žWitterungsschatten des  westlichen Hauses. Ausserdem unterscheidet sich das vordere  (Modelierputz, verhältnismässig glatt) zum hinteren Haus (Scheibenputz,  rauher) in der Putzoberfläche.

An den restlichen Fassaden (Himmelsrichtungen) keine nennenswerte Risse.  Rohbauherstellung April Mai 1997, Aussenputz vorderes Haus April 1998 .

Mauerwerk porosierte Ziegel, vermauert mit Leichtmauermörtel LM 36 (Stossfuge mit Mörteltaschen).

Putz als €žLeichtputz, Oberputz Modelierputz mit der Traufel aufgetragen, mit Ausgleichanstrich.

Die Risse traten nach 2 Jahren am Westgiebel auf. Es zeichnen sich die  Lagerfugen und teils die Stossfugen (wobei diese teils versetzt und auch  schräg laufen) ab.

Man war überrascht, dass sich auch Risse an der Brüstung (Verlängerung Fensterkante) gebildet haben, obwohl keine Heizkörpernischen gemauert wurden.

Siehe hierzu Bild "Kraftumleitung" weiter unten.

Detail Rissbild

Öffnungsstelle, Riss nachgezeichnet

Warum sind insbesondere die Westwände von den Rissschäden betroffen?

Von den Temperaturunterschieden (Tag- Nachtverlauf) sind Westwände  insbesondere im Frühjahr am stärksten betroffen > längste Besonnung,  noch kalte Nächte.

Bei Westwänden treten stärkere Durchfeuchtungen als an den übrigen Seiten auf (€žWetterseite).

Aus Eicher, Bauphysikalische Entwurfslehre (1982 damals DDR) stammt nachstehende Grafik, welche die Durchfeuchtung Westseite verständlich macht.

Feuchtigkeit führt zu Quellen, Trocknung zum Schwinden von Baustoffen. Hinzu kommen Wärmedifferenzen.

Nachstehend schöne Erklärung der Begriffe isotrop und anisotrop aus Eichler im Zusammenhang mit Formänderungen.

kleiner Beitrag zur deutschen Einheit:

Als Wessi - Architekt (und Student, Kauf meiner ersten Ausgabe 1971 in  Berlin Ost) war die bauphysikalische Entwurfslehre von Prof. Eichler  (Ossi) für mich immer ein Standartwerk. Bei Beachtung dieses Werkes  könnten wir uns viele Mängel sparen.

Mauerwerk aus leichten Porenziegeln sind anisotrop, eine Wand dehnt sich somit in einer bestimmten Richtung mehr als in einer  anderen. Ziegel werden immer stärker auf Wärmedämmung (Wärmeschutzverordnung, Energieeinsparungsverordnung) getrimmt.

Sie werden darauf getrimmt, dass sie senkrechte Lasten (Normalkräfte) noch  tragen können, quer dazu (horizontal) ist die Festigkeit sehr gering,  hier ist das Gitter der Ziegel massgebend.

Dr.-Ing Künzel bezeichnet in seinem Buch Schäden an Fassadenputzen Mauerwerk aus porosierten Leichtziegeln als beweglichen Putzgrund da dieses Mauerwerk deutlich anisotrop ist. Aus diesem Buch erlaube ich mir, nachstehend zu zitieren und Bilder ab€žstipizen.

2.2.5.1 Stabiler Putzgrund

Das frühere Mauerwerk aus kleinformatigen Steinen und relativ geringen  Unterschieden der Eigenschaften von Mauersteinen und Mörtel bildete  einen weitgehend homogenen Putzgrund, im Folgenden als »stabiler«  Putzgrund bezeichnet. Die Festigkeit und Stabilität dieses Mauerwerks  »ertrug« jeden Putz. Die auf der Baustelle hergestellten Putze mussten  keine besonderen Spezifikationen aufweisen.

2.2.5.2 Beweglicher Putzgrund

Das heutige Mauerwerk besteht in der Regel aus grossformatigen, porosierten  oder gelochten Blocksteinen mit teil- oder nichtvermörtelten Stossfugen,  wofür die Bezeichnung »beweglicher« Putzgrund verwendet wird. Als solche Putzgründe sind folgende zu betrachten, wobei die Ursache der - nicht  wörtlich zu nehmenden - »Beweglichkeit« unterschiedlich sein kann:

Mauerwerk aus Leicht- oder Porenbeton

Zementgebundene Mauersteine schwinden, abhängig von Zementgehalt, Zuschlagstoff und von der Anfangsfeuchte beim Aufmauern. Dies kann sich in den Stoss- und  Lagerfugen auswirken, insbesondere dann, wenn diese nicht voll  vermörtelt sind.

Mauerwerk aus porosierten Leichtziegeln

Ziegel - auch Leichtziegel - schwinden zwar nicht, aber sie sind deutlich  anisotrop, das heisst sie haben unterschiedliche Festigkeiten vertikal  und quer zur Steinlage. Bei ausreichender Festigkeit bei vertikaler  Belastung (Normdruckfestigkeit des Mauerwerks) kann die  Querdruckfestigkeit auf 5% bis 40% der Normdruckfestigkeit reduziert  sein, je nach Lochanordnung und Stegdicke. Da in einer Fassade - je nach deren Unterbrechungen durch Fenster, Türen oder durch besondere  Gliederungen - auch Querkräfte auftreten, können bei zu geringer  Querfestigkeit Mauerrisse aufgrund von Druck- oder Zugkräften auftreten. Begünstigt wird dies durch die Verwendung von Leichtmauermörtel mit  einem geringeren Querdehnungsmodul als Normalmörtel. Bei ausreichender  Tragfähigkeit bei senkrechter Belastung ist Mauerwerk aus anisotropen  Steinen der beschriebenen Art empfindlich gegen Querkräfte, wobei  Unterschiede je nach Ziegelfabrikat bestehen können. Dadurch  unterscheidet sich das heutige Leichtziegelmauerwerk vom früheren  Vollstein- oder Hochlochziegelmauerwerk.

Als Beispiel habe ich Leichtziegel auf ihre Druckfestigkeit

· senkrecht (wie er Normalkräfte aufnimmt)
 > Probe 1
· horizontal zur Sichtfläche (darauf wird geputzt)
 > Probe 2
· horizontal zur Stirnseite (N+F) 
 > Probe 3

Überprüfen lassen.

Bei Probe 2 (Putzfläche) beträgt die Druckfestigkeit rd. 5 % der senkrechten Druckfestigkeit. > deutlich anisotrop!

Auszug aus Künzel, Schaubild Einteilung Mauersteine

Mittelwerte und Extremwerte (Max., Min.) des Verhältnisses der Druckfestigkeit in Steinlänge bD,L zur Normdruckfestigkeit bD verschiedener Mauersteinarten, angeordnet nach abnehmenden Mittelwerten

 

Derartige Risse (Stein-Putzrisse) treten überwiegend auch bei Verwendung von Leichtmauermörtel auf.

Leichtmauermörtel wird überwiegend mit Zement als Bindemittel hergestellt.

Das Querdehnungsmodul von Leichtmörtel ist geringer als das von Normalmauermörtel.

Aus Künzel:

Darstellung aus Künzel warum Mauerwerk bei Öffnungen rissgefährdet ist (Kraftumleitung). >  Zusammenhang anisotropes Mauerwerk und Querdehnungsmodul bei  Leichtmauermötel.

Durch nicht vermörtelte Stossfugen (z. B. Zahnziegel) erhöht sich die Anisotropie.

Ausführungsfehler wie

· nicht vollfugiges Mauerwerk
· fehlender Schutz des Mauerwerkes vor Witterungseinflüssen (abdecken etc.)
· nicht einhalten der Verbandslehre
· Verwendung teilweise bereits abgebundenem Mauermörtel
· zu schneller Wasserentzug des Mörtels bei hoher Temperatur (früher hatten Maurer immer ein Wasserfass am Arbeitsplatz)
    "glatte" und dunkle Putze sind rissgefährdeter als rauhe und helle (Binsenweisheit)
· Auf das Mauerwerk nicht abgestimmter Putz (z. B. “€žzu hart")
· verputzen auf zu feuchtem Mauerwerk
· verputzen bzw. mauern bei sehr ungünstigen Witterungsverhältnissen
· Etc.

erhöhen natürlich die Rissgefahr.

Anmerkung

Bauen ist Teamwork. Leider hat sich aus meiner Sicht die Ziegelindustrie  unter dem Zwang der Heizenergieeinsparung verleiten lassen, immer  leichtere Ziegel herstellen zu wollen. Hier tut mir als gelernter Maurer das Herz weh, was aus dem hervorragenden Baumaterial Ziegel geworden  ist. Es ist zwar eine herausragende technische Leistung, was heute von  den Ziegeleien an filigranen Steinen hergestellt werden können, aber macht dies noch Sinn? Ich glaube nein.

Immer leichtere Steine benötigen immer weichere Putze (oder faserarmierte  Putze, Gewebsspachtelungen etc.). Weicher = leichter, es erhöht sich  dann auch die Wasseraufnahmefähigkeit. 

(Massive) Wände haben neben zu tragen auch noch den Schallschutz, die Dauerhaftigkeit und Wärmespeicherung zu übernehmen.

Bauherrn haben von uns Bauschaffenden eine solide, langlebige Leistung zu  erwarten. Bauhandwerker und Architekten haften heutzutage 5 Jahre,  Hersteller von Baumaterialien normalerweise ½ Jahr. Im Falle von  Putzschäden wird (fast) immer der Verarbeiter und Planer zur  Verantwortung gezogen.

Es kann nicht Sinn von Mauerwerk aus Leichtziegel sein, Putze von  vornherein zusätzlich mit Gewebespachtelung zu versehen, damit Risse  nicht an die Oberfläche gelangen. Eine Gewebespachtelung mag eine  Sanierungsmassnahme bei Rissen sein. Ist es dann nicht billiger, ein  Wärmedämmverbundsystem (da braucht man sowieso Gewebespachtelung )  anzubringen und dünne Aussenwände herzustellen. Bei Wahl eines €žschweren Mauersteines hat man gute Schalldämmung und bei entsprechend dicker  Aussendämmung eine bessere Wärmedämmung als bei einer monolithischen  Bauweise. 

Eine wesentlich intensivere und offenere Zusammenarbeit zwischen Baustoffindustrie, Verarbeiter und Planer ist nötig.

Wird fortgesetzt

Literatur: Eichler Bauphysikalische Entwurfslehre VEB Verlag Berlin (damals DDR)

Künzel Schäden an Fassadenputzen, Schadenfreies Bauen 
Band 9, 2000,  Frauenhofer IRB Verlag

  
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